The Lions Bodyguard (mein neuer Roman!)
Leseprobe

Plädoyer
Unlektoriert und Unkorrigiert - Rohfassung


Ich zitiere den § 211 des deutschen Strafgesetzbuches. Meine Stimme senke ich auf ein Niveau, das meine Freunde meine „Dom-Stimme“ nennen. Und tatsächlich, ich sehe, wie der Mann auf der Anklagebank immer mehr in sich zusammenfällt. Wunderbar, so soll es sein.
Doch seine Augen …
„Sehr geehrter Herr Richter Meyer, sehr geehrte Beisitzer und sehr geehrter Herr Popow. Mord im Sinne des § 211 des Strafgesetzbuches setzt im Wesentlichen folgende Punkte voraus…“ Ich hole sehr tief Atem und nutze die Stille, um die Aufmerksamkeit aller auf mich zu lenken.
„Zuallererst muss ein Mensch getötet worden sein.
Dieses konnte durch den Fund der Leiche des russischen Staatsbürgers Victor Kusnezow einwandfrei nachgewiesen werden. Dieser wurde mit vier Einschüssen einer russischen Makarow 9 mm in den linken oberen Brustkorb im Hafenbecken Hamburg am 17.08.2019 aufgefunden.
Demnach …“ ich senke meine Stimme nochmal entscheidend, sehe dem Angeklagten genau ins Gesicht. Mir strahlt eine unglaubliche Kälte und Regungslosigkeit entgehen und ich erkenne unverhohlenen Hass in seinem Blick.
„Demnach haben wir das erste Mordmerkmal nachgewiesen.“ , philosophiere ich weiter.
„Mord im Sinne meiner Anklage setzt jedoch mehr voraus. Hier bitte ich sie …“ ich mache eine allumfassende Geste in Richtung Richter und Beisitzer, „zu beachten, das Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen handelt. Ich verweise auf die Habgier als Mordmerkmal. Bemerkenswert war im Laufe des Prozesses die emotionale Kälte des Angeklagten, sein Hass auf Herrn Kusnezow, seine Ausführungen zu dessen Verhalten, insbesondere Herr Kusnezows Weigerung, die Schutzgelderpressung zu dulden, die seinen Laden in den finanziellen Ruin trieben, seiner Familie die Lebensgrundlage entzogen hätten.
Habgier meine Damen und Herren“, ich mache eine bedeutungsschwangere Handbewegung und intoniere des Wort Habgier ganz bewusst extralaut in tiefem Bass, „ist eines der ältesten Motive der Menschheit. Habgier ist das übertriebene Streben, seinen Besitz zu mehren. Was kann man anderes hier annehmen? Welchen Grund gibt es, Schutzgelder zu verlangen, wenn man selbst oder die Organisation im Hintergrund Auslöser der Überfälle auf die Läden und Geschäftsinhaber ist?“
Ich stoße die Luft bewusst laut aus, sehe langsam in die Runde.
„Welchen Grund gibt es? Sie konnten im Laufe der Prozessmonate, sehr geehrter Herr Popow, keinen logischen und ethisch moralisch vertretbaren Rechtfertigungsgrund für die Schutzgeldforderungen nennen. Also halten wir fest. Habgier ist hier als weiteres Mordmerkmal ganz klar festzustellen.“
Ich sehe zu meiner Assistentin Nicole, die, unmerklich für andere, nickt. Das ist für mich das Zeichen, dass meine Rede in der gewollten Schwere und Tonlage ankommt. Sie ist meine Zeichensoufleuse, die mir den Rücken stärkt, mir durch ihr Nicken weiteren Aufwind gibt.
„Weiterhin, Herr Popow,“ ich sehe den Angeklagten auf der Anklagebank sitzen. Mittlerweile ziert ein mich ein wenig beunruhigendes böses Lächeln seine Mundwinkel. „Weiterhin bedarf es der Heimtücke, der Grausamkeit oder eines gemeingefährlichen Mittels. Dazu zählt das deutsche Recht, wie ich bereits in vorherigen Sitzungen ausführte, sehr wohl die Makarow 9 mm, die nachweislich ihrem Besitz entstammt und bei Ihnen gefunden wurde.“
Ein kalter Schauer überläuft mich. Denkt der Kerl, er kommt davon? Dieses fiese Grinsen, mir wird ganz unwohl …
Richter Meyer hat den Spitznamen Mister Eisenfaust, da er in seinem Gerichtssaal keine Gnade walten lässt. Er gilt als besonders hart, gerecht und, da er alleinstehend ist, ein Herr Anfang 60, auch als unbestechlich und absolut nicht erpressbar.
„Fassen wir es zusammen.“
Ich sehe in die Runde. „Wir haben einen Toten, wir haben nachweislich das Mordmerkmal Habgier und wir haben das gemeingefährliche Mittel. Der § 211 indiziert durch seine Formulierungen bereits den direkten Vorsatz, dennoch möchte hierauf noch einmal gesondert eingehen.
Vorsatz Herr Popow bedeutet, gemäß der Auslegung des § 15 StGB, das wissentliche und vor allem das gewollte Handeln, um einen sogenannten objektiven Tatbestand, also hier unsere Mordmerkmale, zu erfüllen.
Kurzgefasst, Herr Popow, sie müssen wissen, was sie getan haben und dieses auch gewollt haben.“ Ich sehe ihm direkt in die Augen.
Das war wohl Zuviel des Guten. Der Angeklagte springt auf wie ein Springteufel aus der Kiste und beginnt zu brüllen. „Das Schwein hat nicht gezahlt, er hatte zu sterben. Genauso wie Sie Кусок дерьма (Kusok derma), sie Stück Scheisse. Sie werden sterben. Wir werden Sie finden, sie unsägliche Schwuchtel, egal in welchem Loch sie sich verkriechen, wir werden Sie finden.“ Der blanke Hass funkelt in seinen Augen, als er sich schnaufend auf seinen Hintern zurückfallen lässt.
Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Immer die gleiche dumme Show. Äußerlich hart wie Beton nehme ich mit stoischer Ruhe diesen Ausbruch hin und verweise in einem Satz auf die Aufnahme der Bedrohung gemäß § 241 StGB ins Protokoll der Verhandlung.
„Herr Popow, sie tun sich nichts Gutes mit diesen Ausbrüchen, ich füge zusätzlich eine Bedrohung meiner Person hinzu und bitte den Herrn Richter hiermit, dieses bei der Erteilung des Strafmaßes zu berücksichtigen. Im Übrigen habe ich meine Ausbildung vor Jahren wie erwünscht mit Bravour gemeistert“, ich sehe den Richter kurz nicken,“ also tut meine sexuelle Ausrichtung, die im Übrigen nicht geheim ist, hier nichts zur Sache.“
„Ich fasse zusammen, sehr geehrtes Gericht, wir haben eine Leiche mit vier, ich betone es nochmals, mit vier Einschusslöchern in der Brust.“ Ich halte die rechte Hand mit vier erhobenen Fingern in die Luft. „Das schließt einen Unfall oder Fahrlässigkeit aus. Zudem liegen diese Löcher alle sehr nah beieinander und haben das Herz des Opfers quasi püriert.“ Diesen Seitenhieb kann ich mir jetzt nicht verkneifen und sehe im Augenwinkel Nicole erschreckt den Kopf schütteln.
Wir haben als Mordmerkmal ihre Habgier festgestellt, sie wollten Schutzgelder erpressen. Zu der Erpressung selbst, gemäß § 250 in Tateinheit mit § 255 StGB, gab es eine gesonderte Verhandlung, die Ihr Strafmaß bereits auf 10 Jahre erkannt hat.“
Ich wende mich dem Herrn Richter zu und bedenke auch die Herren Strafverteidiger, die kaum zur Verteidigung Ihres Mandanten beitragen konnten oder wenig sagen wollten, mit einem wissenden Blick.
„Aufgrund der vorgetragenen Merkmale plädiert die Staatsanwaltschaft Hamburg unter Vorsitz meiner Person auf eine lebenslange Haftstrafe in der Hochsicherheitshaftanstalt Bautzen I wegen Mordes gemäß der §§ 15, 18, 211 Strafgesetzbuch. Die Justizvollzugsanstalt Billwerder hier in Hamburg bitte ich aufgrund der vermuteten Zugehörigkeit zur russischen Mafia und dem unbewiesenen Verdacht, das Kollegen des Herrn Popow in Billwerder einsitzen, auszuschließen.“
Geschafft, denke ich zufrieden bei mir, bevor ich hinter meine Schreibtischbank sinke. Ich sehe Nicole an. Erwarte ihr übliches Gewinnerlächeln. Doch sie ist blass, kalkweiß nahezu. Ihre Augen richtet sie riesengroß und schreckgeweitet in Richtung Anklagebank.
Auf dieser steht wie ein Rachenengel einer der Verteidiger. Er fixiert mich mit einem bösen Grinsen und im Bruchteil einer Sekunde sehe ich die MP 5, sehe Richter Eisenfaust und die Beisitzer zusammensacken, höre die Schüsse und fühle Kälte, Schmerz … dann …
Schwebend leicht.
Meine 1,88 m und 90 kg fühlen sich fast schwerelos an. Ich lege meine Hand an meine Brust und fühle Feuchtigkeit. Verdammt, was ist geschehen?
Ich streiche meine blonden Haare aus dem Gesicht, schnappe hörbar nach Luft. Starre ungläubig auf die rot gefärbte Hand, bevor die Leichtigkeit überhandnimmt und mich hinfort reißt, hin in die Kälte, die Dunkelheit.
Schmerz …

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